Der Ursprung

 

Du hast mich gewoben in meiner Mutter Schoss.

Psalm 139;13

 

 

Geboren werden ist ein unglaublich traumatisches Erlebnis. Das bedauernswerte Baby, nach neun Monaten Geborgenheit in einem feuchtwarmen, ruhigen und dunklen Nest, wird nun plötzlich durch eine enge Öffnung gequetscht. Der Kopf wird zusammengedrückt wie ein Tuch in der Mangel, um dann in einer kalten, lauten und furchteinflössenden Umgebung aufzutauchen. Da wundert es wenig, dass die meisten Babies als erstes einmal weinen.

 

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Es ist auch für den Vater traumatisch. Wir sind traumatisiert, auch wenn die Frauen das nicht wahrhaben wollen. Sie denken sie haben die schwierigste Rolle. Ich will die Schmerzen die sie erleiden nicht verkleinern, aber es ist für die Väter nicht minder schwer. Oft sind wir zu einer ungebührenden Zeit aus dem Bett gerissen worden, um dann herumzusitzen und zu harren auf das was da kommt. Wir müssen stark sein und zuversichtlich, während dem wir angeschrien werden und unsere Fingerknöchel blaugequetscht sind. Die ganze Zeit hindurch haben wir keinerlei Kontrolle über das Geschehen. Nachdem das Baby das Licht der Welt erblickt hat, fragt jedermann wie es dem Baby und der Mutter gehe. Niemand scheint sich um das Wohlergehen des Vaters zu kümmern.

Warum das Kinderkriegen so schmerzhaft ist, bleibt ein Mysterium. Von einem anatomischen Standpunkt aus betrachtet gibt es zwei Sachverhalte. Zuerst einmal ist der Kopf des Babies gross. Dies ist wichtig, weil unser Gehirn gross und empfindlich ist. Im Vergleich zu anderen Tieren ist das menschliche Gehirn übermässig gross. Dennoch scheint es, dass wir die vorhandene Kapazität kaum nützen geschweige denn, dass wir die Funktionsweise auch nur annähernd verstehen. Unser Gehirn ist erstaunlich und ein wesentlicher Bestandteil dessen, was es ausmacht ein Mensch zu sein.

Der zweite Punkt. Das mütterliche Becken ist relativ klein. Die Grösse des Beckens ist ausschlaggebend dafür, dass die Mutter aufrecht gehen und sich auf zwei Beinen fortbewegen kann( dasselbe gilt natürlich auch für den Vater). Dies ist ein weiterer sehr wesentlicher Aspekt des menschlichen Lebens.

Da ist also das Problem eines zweibeinigen, denkenden Organismus, der einen anderen zweibeinigen, denkenden Organismus produziert. Unsere Schädel bestehen aus einer Anzahl von in sich greifender Knochen, die bei einem Erwachsenen zusammen gewachsen und hart sind. Bei einem Neugeborenen sind sie noch einzeln, weich und nachgiebig. Während der Geburt kann sich der kindliche Schädel anpassen, was es ermöglicht durch den engen Geburtskanal gepresst zu werden und dennoch bleibt der Schutz des empfindlichen Gehirns bestehen. Es ist sehr erstaunlich, dass Babies diesen Prozess überstehen ohne, dass das Gehirn einen Schaden erleidet.

Ich frage mich, ob es noch mehr Gründe gibt für dieses Trauma der Geburt als nur die anatomischen. Die Bibel weist darauf hin, dass es eine direkte Verbindung gibt zum Sündenfall, als Gott zu Eva sagte:“ unter Schmerzen gebierst du Kinder“ (Genesis 3; 16) Dies war die Konsequenz daraus, dass sie die Frucht vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse gegessen hatte. Es ist interessant diese Verbindung zu sehen, die Entwicklung des menschlichen Gehirns ist ein Hauptgrund für diese Diskrepanz.

Aber warum soll das ein Fluch sein für die Frau? Es stimmt, es gibt auch für den Mann einen Fluch. Er muss für sein tägliches Brot arbeiten im Schweisse seines Angesichts. Aber warum muss die Frau unter Schmerzen gebären? Leben ist nicht billig – niemandes Leben ist das. Vielleicht ist das ein Teil des Geheimnisses. Wenn eine Mutter diese schmerzvolle Geburt bestehen muss, dann muss dieses Baby diese Schmerzen wert sein. Diese und noch viel mehr. Du, meine wundervolle Tochter, du warst jede Anstrengung wert, die ich auf mich nehmen musste. Ich weiss auch, dass meine Anstrengungen verblassen vor dem was deine Mutter auf sich genommen hat. Und ich weiss, dass sie sagen würde, dass du es wert warst.

Eine Geburt mag wohl schmerzhaft sein, aber sie ist auch staunenswert. Bei meiner allerersten Geburt die ich erlebte, war ich ein junger Medizinstudent im Geburtshilfe Praktikum. Ich hatte es so angelegt, dass ich im Spital in der Nähe arbeitete. Zu der Zeit gab es nicht oft Studenten auf dieser Abteilung, so dass die Hebammen, meist dralle westindische Frauen, mich unter ihre Fittiche nahmen mit der festen Absicht, dass ich so viel wie möglich profitieren sollte.

An meinem ersten Tag schob mich eine Hebamme in den nächsten Gebärsaal und befahl mir Gummihandschuhe anzuziehen. Mit einer Mutter die presste, hechelte und schwitzte und einem Vater der ebenfalls presste, hechelte und schwitzte an ihrer Seite und mir, der ebenfalls presste, hechelte und schwitzte am unteren Ende des Bettes, produzierten wir ein erstaunliches kleines Baby. Ich bin sicher, ich weinte genauso wie die Eltern als der Kopf erschien, unmittelbar gefolgt von einem kleinen, rosaroten Körper. Es war ein solches Privileg dies mitzuerleben und ein Teil davon zu sein. In den folgenden Wochen kamen noch Dutzende Babies dazu. Die Erlebnisse in diesem Praktikum waren von den unglaublichsten Dingen die ich je erlebt habe.

Aber das, meine liebe Esther, war gar nichts im Vergleich zu deiner Geburt. Dir zu helfen beim Eintritt in diese Welt, zu sehen wie sich deine Lungen mit Sauerstoff füllten und deinen ersten Schrei ermöglichten. Die Nabelschnur, die dir bis hierher neun Monate das Leben ermöglicht hatte, zu durchschneiden und dich deiner Mutter zu reichen mit dem Wissen, du bist meine Tochter. Dies

waren Gefühle, die mich für immer begleiten werden. Du warst, und du bist es noch immer, meine geliebte Tochter. Du warst zwar schleimig, schrumpelig und zerknautscht; du hast mich mit nichts als einem Schrei begrüsst, aber du gehörtest uns.

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Vorbereitung

So dramatisch es sein mag, eine Geburt ist nicht der Anfang. Da ist zuerst einmal die wunderbare Verschmelzung von zwei lebenden Zellen, gefolgt von einer neunmonatigen Reifezeit, die einer Geburt vorangehen. Es ist eine erstaunliche Periode, die wie mir scheint, eine nie endende Folge von Wundern ist. So wie die vereinigte Zelle Informationen bezieht aus einem mikroskopischen DNA Strang um sich dann zu teilen in zwei, vier, acht, sechzehn und zum Schluss in eine unendliche Anzahl Zellen, alle verschieden in ihrer Struktur und Funktion. Während sie sich teilen, ordnen sich die Zellen selber zu den verschiedenen Organen und Gewebe, richten sich zueinander aus und verbinden sich in einem wohl choreografierten Tanz. Dies völlig unbeobachtet im Dunklen.

Lange bevor du geboren wurdest, warst du ein perfektes menschliches Wesen – nicht nur deine kleinen Hände und Füsse, sondern auch deine Augen und Ohren, die Leber und die Nieren, das Nervensystem, das Hormonsystem und die Blutzirkulation waren langsam daran bereit zu werden für das Leben draussen, bereit für den grossen Tanz. Erstaunlicherweise war dein Körper nicht nur daran sich für das Leben in der Welt vorzubereiten, sondern hatte ebenfalls mit dem geschützten Umfeld im Bauch deiner Mutter zurechtzukommen. Da waren zwei Systeme, die sich Seite an Seite entwickelten. Da musste Sauerstoff, Energie und Nahrung vom mütterlichen System aufgenommen werden und gleichzeitig Kohlendioxyd und andere Abfallprodukte ins mütterliche System abgegeben werden. Daneben lief die Vorbereitung um die plötzliche Umstellung auf eigene Zirkulation, Verdauung und selbständige Ausscheidung zu übernehmen nur wenige Augenblicke nach der Geburt.

Während dem du mein Schatz da drin fleissig am Wachsen warst und dich auf deinen grossen Auftritt vorbereitet hast, hat auch deine Mutter hart daran mitgearbeitet um dir dies zu ermöglichen.

Als Vater steuerte ich auch meinen Teil bei, in dem ich deine Mutter mit ihren wechselnden Emotionen aushielt, so wie man das halt als guter werdender Vater so macht. Beide zusammen waren wir fleissig am Erbetteln, Ausleihen und Kaufen von Babykleidern. Dann galt es dein Zimmer erst auszuräumen, dann malen und schliesslich in dein Babyzimmer zu verwandeln und uns dabei zu fragen, wie es denn sein würde Eltern zu sein.

Keine Geburt ist eine einfache Sache. Sie folgt Monaten voller sorgfältiger Vorbereitung, Aufwand sicherlich seitens der Eltern aber auch von andern. Da sind die Familie und Freunde gefragt, es braucht die Hebammen und den Arzt. Daneben all die natürlichen Vorbereitungen der Natur, zu dem wir gar nichts beitragen. Das alles dafür, dass das Umfeld in der die Geburt geschieht, optimal ist. Das Wunder ist nicht nur die Geburt selber, sondern auch all das was dazu geführt hat. Es ist sozusagen das Ende des Anfangs. Den ganzen Rest deines Lebens vor dir; neunzehn Jahre Entwicklung um dich durch die Kindheit zu bringen. Und dann noch ein ganzes Leben das auf dich wartet.

 

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Radikale Wiedergeburt

 

Ich denke, dass es dasselbe ist mit „von neuem geboren werden“ im Königreich Gottes. Es ist kaum einmal ein isolierter Moment der einfach so passiert. Ich glaube, es beinhaltet in jedem Fall Schmerz. Vielleicht tut Gott ja auch hin und wieder ein Wunder und ändert Menschen von einem Moment zum andern. Meiner Erfahrung nach ist es meist ein langer Prozess, aber niemals das Ende der Geschichte. Es beinhaltet Wachsen und Entwicklung und vielleicht auch mit eine Krise. Damit Menschen eine tiefe Beziehung zu Gott finden können, haben vorher andere Menschen in sie investiert, für sie gebetet, sich mit ihnen befreundet und ihnen geholfen Gott zu verstehen.

Da gibt es dann auch Schmerzen. Wenn man sich entschliesst Jesus nachzufolgen, dann ist das ein Schritt ins Unbekannte. Es heisst, die Welt wie ich sie bis jetzt kannte zu verlassen, Werte zu hinterfragen und neue Wege zu finden.

Genau wie bei einem Baby. Bei der Geburt verändert sich der Blutkreislauf zum und vom Herz dramatisch. Jesus ruft auch uns auf, einen völlig neuen Lebensstil anzunehmen, wenn wir in sein Königreich kommen wollen. Wenn wir die Bergpredigt lesen und was Jesus in den Evangelien sagt, dann sehen wir wie kontrovers das ist. Unsere Feinde lieben, andere an erste Stelle setzen, auf Gott vertrauen und nicht auf uns selber, Gewalt abzulehnen und unsere eigen Verletzlichkeit zu erkennen.

Wenn Jesus Nikodemus sagte, dass niemand in Gottes Reich kommen kann, ohne von neuem geboren zu werden, dann machte er die fundamentalste Aussage aller Zeiten. Wenn ihre nicht bereit seid euer Leben in dieser Welt total zu verändern, dann könnt ihr nicht Teil meines Königreiches sein. Diese Botschaft ist nicht ein einfaches Gebet mit vier Hauptpunkten. Es ist ein dramatischer Umbruch und genau so schmerzvoll wie eine Geburt. Ich frage mich, ob wir das wirklich begreifen können.

 

 

 Translation courtesy of André Burgunder